Wie messe ich meinen Fortschritt im Training?
Training kann zäh und frustrierend sein. Gerade, wenn man in Gruppen trainiert, kann es sich häufig so anfühlen, als würden alle anderen schneller lernen, weiter springen, weniger Angst haben, und so weiter. Doch Menschen sind eben unterschiedlich und alle haben mit ihren ganz eigenen Herausforderungen zu kämpfen. Daher kann es zwar motivierend wirken, Trainingspartner zu haben, die anfeuern oder mitziehen, doch letztendlich haben die Fähigkeiten anderer keine wirkliche Aussagekraft für unseren eigenen Fortschritt.
Selbst die eigenen Skills können täuschen. Du wirst nicht in jeder Session neue Tricks lernen oder auf einmal weiter springen können. Du wirst nicht einmal in jeder nächsten Session genauso gut performen wie in manchen davor. Erwartest du - vielleicht auch nur unbewusst - dass jedes Training dein bestes Training wird, wirst du schnell gegen eine Wand aus akkumulierten Schaden und Motivationslosigkeit fahren.
Was also tun? Hier haben wir einige Tipps gesammelt, an denen du dich orientieren kannst, um deinen Fortschritt im Blick zu behalten.
1. Lerne, den Prozess zu genießen
Etwas Neues zu lernen oder mentale Blockaden durchzuarbeiten ist oft mühsam. Diese Prozesse können sich anfühlen, als würde man einen Berg besteigen, aber nicht wissen, wie weit es noch bis zum Gipfel ist. Oder ob man überhaupt da ankommt, wo man hin will. Dennoch bleibt dir nichts anderes übrig, als weiter einen Fuß vor den anderen zu setzen und darauf zu vertrauen, dass du ankommen wirst.
Zum Glück gibt es Wegbegleiter, Wegekarten und Raststationen auf dem Weg! Ruhe dich aus, wenn du Pause brauchst, nutze Feedback von außen, um dir wertvolle Tipps oder Ermutigungen zu holen und genieße die Gesellschaft in deinem Training. Wenn du heute nicht ankommst, hattest du wenigstens eine gute Zeit mit guten Menschen um dich herum. Und es gibt keinen Grund, es eilig zu haben.
2. Beginner’s Mind
Im Kraftsport sind Beginner Gains der Effekt, der beschreibt, wie man in der Anfangszeit in fast jeder Session mehr Gewicht bewegen kann. Das ist kein “echter” Kraftzuwachs, sondern Techniklernen und Muskelansteuerung. Im Parkour gibt es diesen Effekt auch. In deinem ersten halben Jahr wird sich zum Beispiel deine maximale Standsprungdistanz stark steigen (und dein Muskelkater nach jedem Training wird immer weniger). Das liegt daran, dass sich deine Technik in dieser Zeit dem “Optimum” annähert und dein Körper erst einmal lernt, wie weit er überhaupt springen kann. Dein Körper gewöhnt sich an die Belastungen des Trainings und fühlt sich nach recht kurzer Zeit schon am nächsten Tag nicht mehr so an, als wärst du mit jedem einzelnen Muskel gegen eine Wand gelaufen. Gleichzeitig gewinnst du an Sicherheit, was es dir erlaubt, dich entspannter zu bewegen und tatsächlich alles aus dir herauszuholen.
Diese steile Lernkurve flacht allerdings irgendwann ab. Das ist der Punkt, an dem das echte Training beginnt. Lass dich also nicht von dem Gefühl täuschen, auf einem Plateau angekommen zu sein und keinen Fortschritt mehr zu machen. Finde stattdessen andere Herausforderungen, bei denen du schnelle Beginner Gains abstauben kannst. Parkour ist ein endloses Spiel, in dem es immer wieder neue Dinge zu lernen gibt. Irgendwo wirst du immer ein Anfänger sein. Dieses Mindset zu halten und zu leben ist das Beginner’s Mind.
Erinnere dich daran, dass Training Spaß machen soll und es nichts gibt, was du nicht ausprobieren darfst.
3. Kenne deine Baseline
Letzte Woche hast du einen Double-Full gestanden und bist 11 Fuß aus dem Stand gesprungen. Stangenpräzis gingen locker flockig von der Hand und deine Kong-Pres waren so weit wie noch nie.
Doch heute bist du im Training und es will einfach nichts so richtig klappen. Nicht nur, dass du deine Leistungen vom letzten Mal nicht abrufen kannst, du hast sogar das Gefühl, dass du schlechter geworden bist. Du landest fast nur auf dem Mittelfuß und verlierst beim Balancieren ständig das Gleichgewicht.
Was ist los? Vermutlich…nichts. Du erfährst gerade Varianz. Also Schwankungen in deinem Leistungsniveau. Dafür kann es viele Gründe geben. Wie gut und wie viel hast du die letzten Tage geschlafen? Hattest du Stress in der Schule, Arbeit, mit Freunden oder in deiner Beziehung? Hast du Alkohol getrunken? Hattest du in der letzten Zeit Pausentage? Aber tatsächlich braucht es vielleicht einfach keinen Grund. Du wirst in deiner Laufbahn gute und schlechte Tage erleben. Wenn du die Erwartungen für deine Trainings anhand deiner besten Tage aufbaust, wirst du zwangsläufig enttäuscht werden.
Anstatt also daran zu denken, was du in deinen besten Momenten konntest, könntest du dich fragen, was du immer kannst. Wie weit kannst du jeden Tag springen? Welchen Flip kannst du im Schlaf? Wie viele Klimmzüge kannst du immer?
Wenn du dann noch lernst, zu beobachten, welche Umstände dir deine besten Sessions ermöglicht haben und dir diese dann selbst zu schaffen, bist du dem Mindset eines echten Athleten viel näher gekommen.
Fragen wie
“was brauche ich, um im Training anzukommen?”; “was gibt mir Energie?”; “mit wem trainiere ich am liebsten?”; “was habe ich die Tage vor dieser einen genialen Session gemacht?”; “wie viel habe ich die letzten 7 Tage geschlafen?”; “habe ich heute gegessen?”
können dir helfen, deine Tagesform zu evaluieren und aus jeder Session das beste herauszuholen.
4. Make it feel good
Kennst du deine Baseline, weißt du in etwa, wann du welche Leistung von dir erwarten kannst. Ein anderer Parameter, der dir dabei helfen kann, deinen Fortschritt und deinen Könnensstand messbar zu machen, ist die Qualität deiner Bewegungen.
Anstatt zu versuchen, mehr Flips zu schaffen oder weiter zu springen, versuche, deine Basics auf ein Level zu bringen, das sich einfach gut anfühlt. Es ist leicht, sich unbewusst zu bewegen, schlampig zu landen und bei leichten Bewegungen Energie zu verschwenden. Arbeite an feinen Details und versuche, zu fühlen, wann sich deine Bewegungen leicht und mühelos anfühlen.
Das werden zu Beginn kleine Sprünge und einfache Moves sein, die du vielleicht schon lange glaubtest, gemeistert zu haben. Doch genau hier kannst du eine Aufwärmphase nutzen, um im Training anzukommen, indem du an Altbekanntem feilst und für den Rest deines Trainings die Intention setzt, dich gut zu bewegen, anstatt krass oder beeindruckend.
Unterm Strich
Gut Ding will Weile haben. Genieße die Reise, anstatt von dir zu erwarten, mit dem ersten Schritt bereits anzukommen und lerne, deinen Fokus immer wieder nach innen wandern zu lassen. Versuche, dich gut zu bewegen und wähle Bewegungen, die sich gut anfühlen. Der Weg zum viralen Clip wird so vielleicht etwas länger, aber dafür wird es deine Karriere im Parkour vielleicht auch.